Hamburg bereitet die Einführung der elektronischen Akte vor. Dabei stellte sich die Frage, welche Originaldokumente zwingend aufzubewahren sind. Bei der Erstellung der Liste kam es zu der Feststellung, dass es neben zwingend aufzubewahrenden Dokumenten (etwa Vollstreckungstiteln) auch Dokumente geben kann, die aus prozesstaktischen Erwägungen möglicherweise vorsorglich aufbewahrt werden sollten. U. a. ist der Darlehensvertrag ein solches Dokument. Es sind Konstellationen denkbar, in denen der Darlehensnehmer bzw. einer der Darlehensnehmer den Vertragsschluss bestreitet. Wenn das Vertragsoriginal in einem evtl. Prozess dem Gericht nicht vorgelegt werden kann, so dürften Beweisschwierigkeiten über seinen Bestand und Inhalt entstehen, denn mit der Vorlage eines ausgedruckten Scans des Vertrages (letztlich also einer Kopie) ist kein Beweis für die fragliche Vertragsunterzeichnung erbracht. Als Indiz für die Unterzeichnung des Vertrages könnte zwar die jahrelange Begleichung der Annuitäten herangezogen werden, aber nur, wenn die Überweisungen von einem Konto erfolgten, dessen alleiniger oder Mitinhaber der fragliche Darlehensnehmer ist. Es verbleibt also ein Restbestand an Vorgängen, in denen Beweisfälligkeit droht.
Im Verlauf der letzten Jahrzehnte wurde in Hamburg zwar nur in vereinzelten Fällen eine Fälschung der Unterschrift unter einem Darlehensvertrag durch einen der Darlehensnehmer behauptet (zumeist in der Folge eherechtlicher Auseinandersetzungen unter ihnen) behauptet, und es kam deswegen nie zu einem Zivilrechtsstreit, aber derartige Fällte könnten zunehmen, wenn sich bei Rechtsanwälten herumspricht, dass Banken wegen der Einführung von E-Akten und der damit einhergehenden Vernichtung von Originaldokumenten mehr und mehr nicht in der Lage sind, zum Beweis eines Vertragsschlusses das Vertragsoriginal vorzulegen.
Hamburg ist daran interessiert zu erfahren, wie die anderen Institute die mit der Vernichtung von Vertragsoriginalen verbundenen Risiken einschätzen und wie oft dort bislang kundenseitig behauptet wurde, dass Unterschriften gefälscht worden seien.
Die NRW.BANK hat im Jahr 2006 die E-Akte eingeführt: Bei Einführung hat man sich dazu entschieden, nur Originale aufzubewahren, die entweder zwingend vorzulegen sind (Vollstreckungstitel) oder möglicherweise bei Gericht oder bei vorrangigen Gläubigern Beweischarakter haben könnten (Darlehensverträge, Grundschulderklärungen etc.). Bei letztgenanntem ist kein Fall bekannt wo tatsächlich ein Original hätte vorlegt werden müssen. In der Regel hat hier der Ausdruck des gescannten Originals zur Vorlage ausgereicht. Dennoch ist bisher nicht geplant von der eingeführten Praxis abzuweichen. Das Risiko, dass in Anwaltskreisen publik wird, dass ggf. keine Originale mehr vorhanden sind, wird auch hier gesehen.
In der Investitionsbank Berlin wurde die e-Akte bereits im Jahr 2010 eingeführt.
Dabei wurde/wird wie folgt verfahren:
Bei Bestandsakten: Originalurkunden wie beglaubigte Sterbeurkunden, Heiratsurkunden, Scheidungsurteile, Abtretungsanzeigen sowie weitere Sicherheiten im Original bzw. beglaubigte Kopien, die sich in den Bestandsakten befinden, werden gescannt und das Original dann im hauseigenen Depot verwahrt.
Geöste/gebundene Dokumente in der Bestandakte werden getrennt und nach dem Scannen wieder zusammengeheftet und verbleiben in der Akte.
Bei Posteingang: Eingehende Originaldokumente werden nach dem Einscannen an den Kunden zurückgesendet. Alle gesiegelten und mit Notarbändern versehenen Dokumente werden original erhalten, kopiert und die Kopien gescannt. Das Original wird in das hauseigene Depot zur Verwahrung gegeben.
Nach Auskunft unserer Rechtsabteilung hatte die IBB zu diesem Thema noch keinerlei rechtliche Probleme. Daher werden die rechtlichen Risiken aus der Vernichtung von Originaldokumenten als eher gering eingeschätzt. Insbesondere wurde von keinem Fall Kenntnis erlangt, in dem ein Kunde behauptet hat, dass seine Vertragsunterschrift gefälscht sei.
Die NBank verfügt derzeit noch nicht über die „E-Akte“. Ein entsprechendes Projekt ist für 2018 in Planung.
Die IB.SH bewahrt neben zwingend aufzubewahrenden Dokumenten (etwa Vollstreckungstiteln) nur noch wenige Dokumente (etwa Bürgschaftsurkunden, Versicherungsscheine und Postzustellungsurkunden) im Original auf.
Seit einigen Jahren werden auch Darlehensverträge nicht mehr im Original aufbewahrt. Allerdings verlangt die IB.SH von ihren Darlehensnehmern, dass deren Annahmeerklärung auf den Darlehensverträgen der IB.SH in Schriftform, also mit den Originalunterschriften versehen, zugeht. Dies beruht darauf, dass nach § 492 Abs. 1 BGB Verbraucherdarlehensverträge schriftlich abzuschließen sind. Zwar gilt diese Vorschrift nicht, wenn es sich um ein Förderdarlehen im Sinne des § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB handelt. Wenn ein Gericht aber in einem Einzelfall zu der Auffassung kommen sollte, dass die Voraussetzungen des § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB nicht vorgelegen hätten, wäre der Darlehensvertrag zumindest nicht gem. § 494 Abs. 1 BGB nichtig.
Für gescannte Dokumente stellt sich die Frage, nach welchen Regeln sie als Beweismittel in einen Prozess eingeführt werden können. Für einen ordnungsgemäßen Antritt des Urkundsbeweises ist es nach § 420 ZPO erforderlich, dass die Urkunde dem Gericht vorgelegt wird. Gegenstand der Vorlage ist hierbei die Urschrift der Urkunde. Aus diesem Grunde können gescannte Dokumente nicht Gegenstand des Urkundsbeweises sein.
Gescannte Dokumente können aber gem. § 371 Abs. 1 Satz 2 ZPO als Gegenstand des Augenscheins in einen Prozess eingeführt werden. Für diese Beweismittel hat das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung gem. § 286 Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.
Zwar kommt dem Urkundsbeweis mit Blick auf § 286 Abs. 2 ZPO höhere Beweiskraft als dem Beweis durch Augenschein zu. Allerdings sind die damit verbundenen Restrisiken noch in keinem Fall schlagend geworden, da die IB.SH bislang noch keinen Rechtsstreit führen musste, in dem es um die Echtheit von Unterschriften gegangen wäre.
Die ILB in Potsdam führte erst 2016 die E-Akte ein, begann mit dem Wohnungsbau und hat dies sukzessive auf alle Bereiche erweitert. Dabei gab und gibt es nach wie vor erwartete wie auch nicht vorhergesehene Umsetzungsschwierigkeiten.
Zur Aufbewahrung der Dokumente wurde beschlossen, diese auszulagern und auf noch unbestimmte Zeit aufzubewahren. Dadurch sind wir u. a. vor solchen wie von Hamburg befürchteten Szenarien abgesichert.