Die jahrzehntelange Praxis Hamburgs sieht vor, dass die Darlehensnehmer im Bereich des geförderten Wohnungsbaus gehalten sind, vor der Auszahlung der Darlehensvaluta die vollstreckbare Ausfertigung der notariell beurkundeten Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung vorzulegen. Hamburg plant, hierauf in Zukunft zu verzichten, da sich die Rechtslage geändert hat. Die früher bestehende Möglichkeit, die sofortige Fälligkeit der Grundschuld zu vereinbaren, ist entfallen. § 1193 BGB erfordert für die Fälligkeit des Grundschuldkapitals eine Kündigung. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.
Zunehmend stellen sich die Vollstreckungsgerichte auf den Standpunkt, dass eine vor der Fälligkeit der Forderung erteilte vollstreckbare Ausfertigung rechtswidrig sei und machen die Vornahme der beantragten Vollstreckungshandlungen davon abhängig, dass eine erst nach Fälligwerden der Forderung erteilte vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird. Unter diesen Umständen erscheint es angezeigt, auch unter Reputationsgesichtspunkten wie andere Banken auch auf die Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung bereits zu Beginn des Darlehensverhältnisses zu verzichten. Die Möglichkeit, eine vollstreckbare Ausfertigung lediglich wegen der schon fälligen Grundschuldzinsen zu verlangen, besteht zwar theoretisch. Es ist aber anzunehmen, dass eine derartige Verfahrensweise früher oder später von den Gerichten als Umgehung der zum Schutz von Verbrauchern erlassenen Vorschriften gewertet wird.
Eine vollstreckbare Ausfertigung soll in Zukunft erst beantragt werden, wenn die Fälligkeit der dinglichen Forderungen gegeben ist. Diese Ausfertigung könnte bei Beschränkung auf die Zinsen im Einzelfall schon vor Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist erlangt werden.
Wie sieht die Praxis der anderen Förderinstitute aus?
Es ist richtig, dass nach § 1193 I BGB für die Fälligkeit des Grundschuldkapitals eine Kündigung erforderlich ist. Die Kündigung steht sowohl dem Eigentümer als auch dem Gläubiger zu. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate. Dient die Grundschuld der Sicherung einer Geldforderung, so ist nach § 1193 II BGB eine abweichende Bestimmung hinsichtlich der Fälligkeit des Grundschuldkapitals nicht zulässig.
In der der Praxis der WIBank unterwirft sich regelmäßig der Schuldner mittels einer Grundschuldbestellungsurkunde zugunsten der Bank als Gläubigerin der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen, d.h. sowohl persönlich wegen des Darlehens als auch dinglich hinsichtlich seines Grundbesitzes wegen der Grundschuld. Insofern liegt gemäß § 794 I Nr. 5 ZPO ein Vollstreckungstitel vor. Damit wir als Gläubigerin aus der Urkunde nach § 794 I Nr. 5 ZPO die Vollstreckung betreiben können, bedarf der Titel noch der Erteilung der Vollstreckungsklausel.
Die WIBank vereinbart mit dem Sicherungsgeber in ihren Grundschuldbestellungsurkunden einen sogenannten Nachweisverzicht. Der Sicherungsgeber entbindet den Gläubiger von der Verpflichtung, die zur Klauselerteilung erforderlichen Tatsachen zu beweisen. Dies ist nach derzeit herrschender Meinung rechtlich möglich und verstößt auch nicht gegen die Voraussetzungen des § 1193 BGB. Der WIBank kann daher als Gläubigerin zur Vorbereitung der Vollstreckung sofort die Klausel erteilt werden. Nach Ablauf der in § 1193 BGB geregelten Kündigungsfirst können dann erst Vollstreckungsmaßnahmen betrieben werden.
Wir sehen daher keine Veranlassung, unsere Praxis zu ändern. Dabei verweisen wir auch auf die Kommentierung im Münchener Kommentar zum BGB zu §1193.
Die BayernLabo hat bereits seit einigen Jahren entsprechend des §1193 BGB in die vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde einen Passus aufgenommen, in dem für die Fälligkeit des Grundschuldkapitals eine Kündigung mit einer Frist von 6 Monaten vorgesehen ist. Laut Auskunft unseres Teams Sicherheitenverwertung, sind bei der BayernLabo bisher keine Fälle aufgetreten, in denen die Vollstreckungsgerichte eine vor der Fälligkeit der Forderung erteilte vollstreckbare Ausfertigung nicht akzeptiert haben. Momentan sehen wir dazu keinen Handlungsbedarf.
Interessant zu diesem Thema ist ein Artikel des Notars Dr. Karl Schindeldecker, RNotZ 2016, 440.
Erfurt verfährt grundsätzlich wie Dresden und Hannover.
Ergänzen lässt sich vielleicht noch, dass die einzige veröffentlichte Entscheidung eines Thüringer Gerichts (LG Meiningen) bzgl. Verzicht auf den Nachweis der Fälligkeit des Grundschuldkapitals diesen entsprechend der h. M. ebenfalls für zulässig erachtet. Selbst wenn das Vollstreckungsgericht anderer Auffassung sei, sei es an die vom Notar zu verantwortende (einfache) Klausel gebunden. Etwaige Einwendungen gegen die Klausel müsse der Schuldner mit Klauselerinnerung oder Vollstreckungsgegenklage geltend machen (Beschl. v. 09.07.2013 – 4 T 80/13).
Düsseldorf fordert vor Darlehensauszahlung die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung eines abstrakten Schuldversprechens (§ 780 BGB) mit sofortiger Fälligkeit. Das durch eine auf dem Förderobjekt eingetragene Hypothek gesicherte Schuldversprechen dient der Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten, auch gesetzlichen Ansprüche der NRW.BANK gegen den jeweiligen Darlehensnehmer, die die NRW.BANK im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung wegen aller von ihr geförderten Bauvorhaben erwirbt. Das OLG Köln (Beschluss vom 19.04.2013 – 2 Wx 54/13, DNotZ 2013, 768 ff.) hat ausdrücklich bestätigt, dass – obwohl durch die von Düsseldorf gewählte Konstruktion eine dingliche Sicherung erreicht werde, deren Abstraktionsgrad faktisch demjenigen einer Grundschuld entspreche – die vom Gesetzgeber durch das Risikobegrenzungsgesetz geschaffenen Schuldnerschutzvorschriften auf eine Hypothek, der die Forderung aus einem abstrakten Schuldversprechen zugrunde liegt, weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar sind. Probleme bei der Vereinbarung der sofortigen Fälligkeit des hypothekarisch gesicherten Schuldversprechens und der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldversprechens sind seitdem nicht mehr aufgetreten.
Dresden beantragt wie Hannover eine vollstreckbare Ausfertigung weiterhin bereits vor erster Auszahlung des Darlehens, zumal die Grundschuldbestellung zugleich die persönliche Haftungsübernahme und Zwangsvollstreckungsunterwerfung beinhaltet sowie hinsichtlich der Fälligkeit einen Nachweisverzicht. Für die Wirksamkeit des Nachweisverzichts würde sich Dresden auf die h. M. berufen (OLG München – Beschluss vom 23.06.2016 – 34 Wx 189/16 m.w.N.; div. Landgerichte, Palandt etc.; a. A. Zöller/Stöber.) Die von Hamburg mit den Gerichten beschriebenen Probleme sind hier bisher nicht aufgetreten.
Die Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB) des Landes Schleswig-Holstein sehen vor, dass der IB.SH spätestens zum Zeitpunkt der Auszahlung der zweiten Rate des Darlehens eine vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde vorzulegen ist. Nach unserer Auffassung kollidiert dies auch nicht mit § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Es trifft zu, dass einige Gerichte der Auffassung sind, dass die sofortige Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde unter Verzicht des Schuldners auf den Nachweis der Fälligkeitsvoraussetzungen eine Umgehung des § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB darstellen würde. Herrschend ist jedoch die gegenteilige Auffassung, der sich auch das Landgericht Lübeck mit Beschluss vom 04.12.2008 (7 T 548/08) angeschlossen hat. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung sieht sich die IB.SH nicht mehr mit Beanstandungen von Schleswig-Holsteinischen Notaren und/oder Amtsgerichten konfrontiert.
Auch das Landgericht Essen (Beschluss vom 05.11.2010 – 7 T 596/10), das Landgericht Frankenthal (Beschluss vom 10.02.2014 – 1 T 11/14), das Landgericht Stade (Beschluss vom 11.06.2015 – 7 T 73/15) und das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 23.06.2016 – 34 Wx 189/16) haben mittlerweile bestätigt, dass ein Verzicht des Schuldners auf den Nachweis der Fälligkeitsvoraussetzungen keine Umgehung des § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB darstellt.
Mainz fordert zu Beginn des Darlehensverhältnisses die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde. Probleme sind bisher nicht aufgetreten. In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf einen Beschluss des LG Hamburg vom 28.12.2015, 328 T 67/15, abgedruckt in Rpfleger 2016, Heft 5, S. 305, hinweisen, der besagt, dass dem Vollstreckungsgericht keine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Klauselerteilung zusteht.
Hannover beantragt eine vollstreckbare Ausfertigung nach wie vor bereits zu Beginn des Darlehensverhältnisses, zumal die Grundschuldbestellung – wohl anders als in Hamburg – zugleich die persönliche Haftungsübernahme und Zwangsvollstreckungsunterwerfung (mit sofortiger Fälligkeit), aus der ggfl. auch bereits vor Kündigung der Grundschuld die Vollstreckung betrieben wird, beinhaltet. An der Zulässigkeit dieser Verfahrensweise haben wir keine Bedenken (vgl. auch Rundschreiben Nr. 23/2008 vom 26.08.2008 der Bundesnotarkammer). Die von Hamburg mit Gerichten beschriebenen Probleme sind hier bisher nicht aufgetreten.
Potsdam ist aus eigener Praxis nicht bekannt, dass sich ein Vollstreckungsgericht gegen die Wirksamkeit einer bereits vor Kündigung/Fälligkeit der Grundschuld erteilten vollstreckbaren Ausfertigung ausgesprochen hat. Vor diesem Hintergrund sieht Potsdam keinen Grund, davon abzurücken, auf eine vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde mit enthaltenem Nachweisverzicht zu bestehen.
Gemäß § 1193 BGB ist für die Fälligkeit des Grundschuldkapitals eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten. Eine vollstreckbare Ausfertigung darf dann nur bei Nachweis der Fälligkeit, das heißt Zugang der Kündigung des Grundschuldkapitals, erteilt werden oder nach herrschender Meinung auch bei einem vereinbarten Verzicht auf den Nachweis der Fälligkeit der Grundschuld. Die L-Bank hat einen solchen Nachweisverzicht in die maßgeblichen Dokumente aufgenommen.
In Berlin wurden bisher noch keine Vollstreckungsfälle unter der geänderten Rechtslage abgewickelt. Was die Vollstreckungsunterwerfung anbelangt, könnte die hilfsweise auf ein abstraktes Schuldanerkenntnis gestützt werden – was aber kaum im Sinne des Gesetzgebers sein dürfte. Wenn sich die genannte Haltung bei den Gerichten durchsetzt, erscheint die Vorgehensweise (Titel erst nach Fälligkeit ausstellen lassen) zwar als aufwendig, aber eben auch folgerichtig.